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» Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit den Menschen, welche dem Leben seinen Wert geben. «

W. v. Humboldt

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Pflege-Daheim

Leben und Sterben wo ich hingehöre

Klaus Dörner, ist aus meiner Sicht einer der größten Hoffnungträger für die Bewältigung der Probleme in der Pflege. Er sieht und beschreibt die Chancen in der Krise. Ob der bedrohliche Anstieg pflegebedürtiger Bürger in einer sozialen und wirtschaftlichen Katastrophe endet oder zu einem Aufbruch in eine besseres Miteinander führt, hängt  von uns ab. Wir können und dürfen das Problem nicht alleine der Politik überantworten, da diese in Wahlperioden agiert und sich nicht die Zeit nimmt.

Angebote gehen am Bedarf vorbei

17.Februar 2012
In einem Artikel der Frankfurter Rundschau heißt es:  "Bedürftige möchten am liebsten zu Hause bleiben. Doch die Angehörigen überfordert das oft. Angebote des Gesetzgebers zur Entlastung pflegender Angehöriger werden kaum angenommen.--Drei Milliarden Euro waren 2010 für die vorübergehende Übernahme der Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst oder eine Pflegeeinrichtung vorgesehen. Nur gerade ein Viertel (24 Prozent) der Gelder wurde abgerufen."  
Diese Zahl beweist besser als jedes Argument, dass das Angebot der Sachleistung Pflege keine Hilfe darstellt.  Würde man dieses Geld ebenso für die 24-Stunden Hilfe einsetzen können, wäre garaniert nichts mehr über.

Im folgenden einige Beispiele für den politischen Aktionismus:

Politik entdeckt Herz für pflegende Angehörige

16. Februar 2011
Schlagzeilen wie: „Rösler will Pflegebedürftige mit ihren Angehörige  in Kur schicken.“  lassen verwundert aufhorchen. „Ist doch eine super Idee“, denken die einen. „Wieder nur ein Trostpflaster“, sagen die anderen. 
Nach meiner Einschätzung lässt sich das  Problem – jedenfalls der Angehörigen die ich kenne und begleite – in einer Kur nicht auskurieren.

Angehörige vermissen vor allem folgendes:
  • Bezahlbare und ausreichende Betreuungs- und Unterstützungsangebote im Alltag.  Denn jahrzehntelang wurde nur in die Heimpflege investiert.
  • Regelmäßige, stundenweise Entlastung eines Angehörigen, wie sie z.B. in Köln: „TANDEM“ oder „Zick für Dich“ anbieten, erscheinen sehr viel Effektiver als einige Wochen Kur alle paar Jahre.
  • An den individuellen Bedürfnissen orientierte Angebote  ambulanter Pflegedienste.  – Weg von der Minutenpflege!
  • Ausreichend, kostengünstige  Tagespflegeangebote - so dass jeder Demenzkranke, wenn es ihm gefällt,  tagsüber in einer kleinen, festen Gemeinschaft mit förderlicher Atmosphäre betreut werden kann.
  • Kostenlose ( von den Kassen/Kommunen zu tragende) pflegefachliche Anleitung und Begleitung der Angehörigen – verbunden mit einem regelmäßigen Besuchsdienst.
  • Kostenlose Hilfe in Krisensituationen durch psychologische Fachkräfte.

In diese Richtung muss dringend mehr Geld fließen.

Familienministerin  will  Familienpflegezeit  einführen.

Kristina Schröder scheiterte mit ihrem Vorhaben.

16.Febr.2011: Die Regierungskoalition entscheidet gegen einen Rechtsanspruch von Berufstätigen auf Familienpflegezeit. Das seit  einem Jahr diskutierte Pflegezeitmodell,  soll  auf freiwilliger Basis eingeführt werden. Jetzt muss sich die Ministerin etwas anderes einfallen lassen, um Sozialgeschichte schreiben zu können. Wie wäre es mit einem der oben genannten Ansätze, z.B. dem Ausbau und der Finanzierung von ausreichend Tagespflegeangeboten.   Wir begrüßen diese Entscheidung der Regierung.  Siehe auch Stellungnahme vom 4.März.2010

Pflegezeit-Regelung: Am eigentlichen Bedarf vorbeigeplant

04.März 2010: Begrüßenswert an dem in dieser Woche überraschend eingebrachten Entwurf der Familienministerin Schröder zur Pflegezeit-Regelung, ist das Bemühen die häusliche Pflege zu stärken. Bei näherer Betrachtung muss man jedoch Fragen, wem das Ganze nützt. Auch wenn keine Zahlen vorgelegt werden können, kann ich mir vorstellen, dass es einzelne berufstätiger Angehöriger gibt, die aufgrund dieser Regelung eher geneigt wären zu überlegen, ob sie Erwerbsarbeit und die Pflege der Mutter, des Vater etc. vereinbaren können. In bestimmten Fällen mag diese Rechnung aufgehen, vor allem dann, wenn das pflegebedürftige Familienmitglied nicht permanent auf Hilfe angewiesen ist und wenn abgesehen werden kann, dass der Hilfebedarf höchstens zwei Jahre bestehen wird.

Angesichts einer durchschnittlichen Pflegebedürftigkeitszeit von 9 Jahren, zumindest bei Demenz, zielt diese Regelung insgesamt jedoch am Bedarf völlig vorbei. Wie geht es weiter wenn die zwei Jahre um sind? Ohnehin stellt sich die Frage "Heim oder Daheim" in der Regel erst im fortgeschrittenen Stadium einer Pflegebedürftigkeit. Dennoch, auch wenn es nur verhältnismäßig wenige Fälle geben dürfte in denen diese Regelung wirklich hilfreich wäre, warum nicht? Andererseits steht zu befürchten, dass arbeitssuchende Frauen der Ü40 Generation noch schwerer eine Stelle finden, weil Arbeitgeber diesen finanziell kaum zu kalkulierenden Umstand nicht riskieren wollen. Allenfalls ist es eine von vielen denkbaren Maßnahmen, die notwendig wären damit dem Grundsatz "ambulant vor stationär" entsprochen werden kann. Wir plädieren nach wie vor für eine jeweils im Einzelfall auszuhandelnde Lösung, die diesem Grundsatz Rechnung trägt.

Weitere Meldungen zum Thema:

Düstere Aussichten

November 2010: Meldungen zur kritischen Lage häufen sich. Schon 2012 reichen die Pflegeversicherungsbeiträge nicht mehr aus. Bis 2030 wird laut aktuellem Pflegereport der Barmer mit einer Verdoppelung der von Demenz betroffenen Menschen gerechnet. Dem gegenüber steht ein Mangel an Pflegepersonal und Ärzten. Auch hier alarmierende Zahlen, die zum Umdenken in der Gesellschaft, im Gesundheits- und Pflegewesen zwingen. In der Politik geht es vordergründig erneut um die Frage, ob Zusatzversicherung oder Bürgerversicherung. Standesvertreter der Pflegeberufe sorgen sich hingegen vor allem um ihre Fachhoheit, die wegen der Unterwanderung von - in Kurzkursen instruierter Hilfskräfte - mehr und mehr bedroht ist. Die Pflegewissenschaftlerin, Angelika Zegelin-Abt, beschreibt in der DBfK Zeitschrift "Der Ausverkauf der Pflege". Nicht zu Unrecht. Im November 2010 versucht der DBfK mit der Aktion "Gelbe Karte" auf die sich zuspitzende Situation hinzuweisen.

Wie auch immer wir diese Entwicklung bewerten, die Zahlen mahnen zu einem Umdenken in allen Bereichen. Das Pflegesystem bedarf einer grundlegenden Neuordnung: Weg vom Dienstleistungsdenken - hin zum Gemeinwohlauftrag.

Schon aus Kostengründen werden sich Städte und Gemeinden alternative Betreuungsnetzwerke einfallen lassen müssen.

Auf der Suche nach Alternativen

Man kann diese Entwicklung - die sehr düster ausschaut, wenn man sie auf der heutigen Schiene weiterdenkt - auch als Chance sehen. Nach vielen Gesprächen, auch mit besorgten Bürgermeistern, ist mein Entwurf eines Gemeindepflegekonzeptes entstanden, den ich Ihnen hier zur Anregung und Diskussion vorstelle. Anregung dazu gab nicht zuletzt Prof. Claus Dörner, mit seiner Vision vom sich neu konstituierenden "dritten Sozialraum".

Deutsche Familien auf Hilfe von Frauen aus osteuropäischen Ländern angewiesen

24.04.2009: Dank osteuropäischer Haushaltshilfen können rund 100.000 Pflegebedürftige zu Hause leben und sterben. Dies bestätigt eine am 24. April vorgestellte Studie des Deutschen Institutes für Pflegeforschung (dip), an der Pflege-SHV beteiligt wurde. Ohne diese Frauen würden wir demnach etwa 100.000 zusätzliche Heimplätze benötigen. Denn in allen Fällen, zu diesem Ergebnis kommt die Studie, sahen Angehörige keine Alternative. Angehörige, die den 24-Stunden-Betreuungsbedarf eines pflegebedürftigen Familienmitglieds selbst nicht sicher stellen können, eine Heimeinweisung jedoch vermeiden wollen, haben derzeit in unserem Land kaum eine andere Wahl. Da wir in einer Zeit leben, in der es Studien bedarf um längst vorhandenen Erkenntnissen die nötige Seriosität zu verleihen, begrüßen wir diese Untersuchung, auch wenn im Ergebnis nichts Neues oder Überraschendes dabei herausgekommen ist. Lesen Sie hier die Studie weiteres zum Thema Illegale Pflege hier.

"Pflegebudget" zu teuer und auch aus anderen Gründen zum Scheitern verurteilt

RZ 28.02.2008: Vier Jahre lang erprobte der Kreis Neuwied als eine von sieben Kommunen bundesweit das Modellprojekt Pflegebudget. Am 30. April endet die Erprobungsphase. "Es ist unwahrscheinlich, dass das Pflegebudget als eigenständige Option eingeführt wird. Denkbar ist hingegen, dass einzelne Konzeptteile in die Entwicklung der Pflegeversicherung einfließen", resümierte Prof. Thomas Klie, der wissenschaftliche Leiter dieses Projektes. Die 79 Bezieher des Budgets im Kreis Neuwied können sich noch bis Ende des Jahres auf die höheren Leistungen (Sachleistungssatz) der Kassen freuen, die ihnen zur Verfügung stehen, um die vereinbarten Haushaltshilfen oder Betreuungsdienste zu bezahlen, die ansonsten von der Pflegekasse nicht übernommen werden.

Einerseits sei jedem Pflegebedürftigen gewünscht, dass die Pflegeversicherung den häuslichen Betreuungsbedarf weitgehend deckt, andererseits erscheint dies nicht finanzierbar über den aktuellen Versicherungsbeitrag. Von vorne herein haben die für das Regelwerk Verantwortlichen versucht eine Grenze zu setzen, indem eben nur körperbezogene Pflegeleistungen - Sachleistungen genannt - kalkuliert wurden. Zeit für Betreuung, Begleitung und Haushaltshilfe wurden ganz bewusst nicht einkalkuliert. Hier setzt man auf den Einsatz von Angehörigen, die wie vor der Einführung der Pflegeversicherung zu einem großen Teil diese Aufgabe selbstverständlich übernehmen. Schließlich drückt sich darin ja auch ein wesentlicher Wert der Familie aus. Man lässt die pflegebedürftige Mutter, den Vater oder eine andere nahe stehende Person gerade dann nicht im Stich, wenn diese der Hilfe am meisten bedürfen. Also kann man vorerst noch darauf vertrauen, dass rund 70 Prozent der Pflegebedürftigen in der eigenen Familie versorgt werden, mit oder ohne Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes. Vor der Einführung der Pflegeversicherung war dieser Prozentsatz sogar noch höher, obschon die Angehörigen für diesen Einsatz keinen Pfennig erwarten konnten. Grund- und Behandlungspflegemaßnahmen durch ambulante Dienste wurden vormals von den Krankenkassen übernommen, wobei jedoch nicht - wie heute - jede Handreichung einzeln aufgeführt und abgerechnet werden musste. Auch einzelne Nachtbereitschaften und stundenweise Betreuungen oder Begleitdienste, konnten unter bestimmten Umständen - und nach Vorlage einer ärztlichen Verordnung - mit den Kassen abgerechnet werden. Wenn ich an meine Zeit als Verantwortliche einer Haus-, Kranken- und Familienpflegestation zurückdenke, hatten die Betroffenen, wie auch ambulanten Pflegedienste in der Zusammenarbeit mit dem Hausarzt deutlich mehr Möglichkeiten individuell maßgeschneiderte Hilfsangebote mit den Kassen zu vereinbaren. Seit Einführung der Pflegeversicherung haben wir zwei getrennte Kassen, wobei im Zweifelsfalle die jeweils angesprochene nicht zuständig ist. Die auch früher schon nicht leicht zu durchschauenden Verfahren und Formalitäten verkomplizierten sich hierdurch erheblich. Seither werden den Pflegediensten Preise und Zeitwerte (pro Einzelsachleistung) diktiert, die kaum noch einen Spielraum lassen. Zeit für Zuwendung und die oft viel notwendigere menschliche Begleitung, lassen sich nicht abrechnen, obschon man dadurch viele teuren und schädlichen Medikamente einsparen könnte oder gar Krankenhausaufenthalte. Stattdessen gibt es einen kleinen Obolus in Form von Pflegegeld, aber auch nur, sofern die Angehörigen auf regelmäßige Unterstützung von ambulanten Diensten verzichten und alles selber machen. Bürger und Fachleute die nicht täglich mit diesen Dingen zu tun haben, blicken hier zunächst überhaupt nicht durch. Entsprechend verstärkte sich der Beratungsbedarf: Wo kann ich was beantragen? Was steht mir in der aktuellen Situation zu? etc.

Angesichts der daraus resultierenden Unzufriedenheit vieler Betroffenen, kam man auf die Idee mit dem Pflegebudget, in Kombination mit einer individuellen Fallberatung (Case Management). Wiederum ein kompliziertes Verfahren, mit Prüfungen und Anträgen und ständiger Begleitung, die durch Pflegekräfte mit Hochschuldiplom gewährleistet werden soll (welche zunächst einmal den zumeist betagten, nur deutschsprachigen "Klienten" erklären müssen, was denn eine Case Managerin ist). Dieser ganze Aufwand, einschließlich der Personalkosten, dient keinem anderen Zweck, als für einige wenigen Pflegebedürftige, statt des Pflegegeldes den etwa doppelt so hohen Sachleistungsbetrag auszuhandeln, mit dem der Betreffende auch solche Hilfe einkaufen kann, die er sonst aus eigener Tasche zahlen müsste; wie z.B. eine stundenweise Betreuung zur Entlastung des Angehörigen, oder jemand der 3 mal die Woche kommt, um mit ihm spazieren zu fahren. Auch ohne die Mehrkosten zu kennen, kann die abschlägige Bewertung des Projektes Pflegebudget nachvollzogen werden.

Informationen zum Pflegebudget
www.pflegebudget.de
und www.integriertesbudget.de

Pflegestützpunkte: Wir sind dagegen!

Pflegestützpunkte sollen unabhängig und umfassend beraten. Dazu müssten die Mitarbeiter dieser Stützpunkte jedoch unabhängig sein. Das sind sie nicht, weil die fianziellen Träger dieser Stützpunkte zumeist ein kommunaler Wohlfahrtsverband ist, wie z.B. die Caritas oder AWO.  Hier liegt es natürlich auf der Hand, dass die Beratung so gestaltet wird, dass die Einrichtungen/Pflegedienste dieses Trägers von Ratsuchenden an erster Stelle empfohlen werden.  Doch selbst wenn die Stützpunkte unabhängig von Leistungsanbietern oder Kassen agieren können, sind sie verzichtbar.  Mit dem Geld, welches hierfür zusätzlich aufgebracht werden muss, sollte man das Betreuungsangebot vor Ort ausbauen und für die Angehörigen bezahlbar machen. Dann müssten nicht so viele Menschen, auch hier in Rheinland-Pfalz, auf illegal beschäftigte Osteuropäerinnen zurückgreifen, weil passende legalen Angebote entweder nicht vorhanden oder nicht bezahlbar sind. Das ist doch das eigentliche Problem, für das weder die Stützpunkte noch das Pflegebudget eine Lösung bieten. Weiteres dazu hier

Pflegekurse müssen besser werden!

Neue Studie belegt, dass Pflegekurse nach § 45 SGB XI nicht angemessen auf die Bedürfnisse der pflegenden Angehörigen ausgerichtet sind.

7.2.2006: Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) konnte mit Fördermitteln der Bosch BKK erstmals bundesweit Pflegekurse untersuchen, die nach dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) für pflegende Angehörige und ehrenamtlich Tätige durchgeführt werden. Die Untersuchung basiert u.a. auf den Daten und Einschätzungen von 320 Teilnehmern und 41 Kursleitern aus verschiedenen Einrichtungen in ganz Deutschland. Zudem wurden weitere Experten befragt und Schulungskonzepte analysiert. Dies ergibt erstmals ein umfassendes Bild der derzeitigen Strukturen, Konzepte und Erfahrungen, die es in Deutschland bezüglich Pflegekurse gibt. Die Ergebnisse werden im März in einer Publikation „Pflegekurse im Blickpunkt – Strukturen, Konzepte, Erfahrungen“ veröffentlicht.

Mehr als 1,4 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig und werden von ihren Angehörigen zuhause gepflegt. Die Belastungen für die pflegenden Angehörigen sind immens. Sie tragen ein großes Risiko, selbst zu erkranken oder pflegebedürftig zu werden. Pflegekassen stehen in der Pflicht, Versorgungsmängel zu erkennen und zu beseitigen. Im SGB XI steht dazu u.a. das Leistungsangebot von Pflegekursen zur Verfügung. Diese sind häufig die erste und einzige Anlaufstelle für pflegende Angehörige. Bernhard Mohr, Vorstand der Bosch BKK, betont: „Wir wollten mit dieser Untersuchung den Fragen nachgehen: Wie gut sind die Pflegekurse eigentlich? Und: Antworten sie wirklich auf die Bedürfnisse der Angehörigen?“

Die umfassende Untersuchung kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass gerade der extrem belastende Übergang zur Pflege von Angehörigen selten durch ein passendes Angebot von Pflegekursen begleitet wird. Prof. Weidner, Leiter der Untersuchung, zieht als Fazit: „Die Pflegekursangebote sind den Betroffenen meistens nicht bekannt, zu unspezifisch, thematisch zu eng und bieten kaum Hilfe bei psychischen Belastungen und Konflikten in der Familie."

Die Ergebnisse der Studie ermöglichen einen differenzierten Einblick in die Erfahrungen und Einschätzungen von Angehörigen, Professionellen und Experten. Sie können damit einen Beitrag zur Optimierung von Beratung, Unterstützungs- und Entlastungsansätzen für die gesellschaftlich wichtige Gruppe der pflegenden Angehörigen leisten. Die Studie kann den Verantwortlichen aus Politik und Gesellschaft als Orientierungshilfe dienen, aus der sich Hinweise auf Reformpotenzial und –hindernisse ableiten lassen. Zukünftige Angebote von Pflegekursen können auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse besser an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden. Auch leiten die Autoren der Studie Empfehlungen ab, wie die Pflegekurse zukünftig regional besser vernetzt und systematisiert werden können.

Pressemitteilung vom 7.2.2006

Hilfe zur Selbsthilfe für Angehörige

Pflege-SHV sieht auch hier Ansatzmöglichkeiten und ein Aufgabengebiet. Denn das übliche Schulungs- und Beratungsangebot für pflegende Angehörige geht über die Vermittlung bestimmter Pflegetechniken selten hinaus. Was vor allem derzeit fehlt, sind Angebote zur Vermeidung oder Bewältigung von psychischen Belastungen: "Hilfe zur Selbsthilfe" für Angehörige.

Langfristig erscheint uns die von der WHO entwickelte Idee der sog. Familiengesundheitspflege, Family Health Nurse, unterstützenswert. Aktuell wird dieses Konzept im Auftrag des BMGS an der Uni Witten Herdecke geprüft, um dann entscheiden zu können, ob und in welcher Weise eine Umsetzung für Deutschland angestrebt werden soll. Bis dahin dürfte noch ein langer Weg sein, zumal diese "FamilienpflegerInnen" erst einmal ausgebildet werden müssen und die Finanzierung dieses Angebots noch völlig in den Sternen steht. Man kann nur hoffen, dass am Ende dabei nicht nur eine wissenschaftlich fundierte Kopfgeburt herauskommt.

Pflege älterer Angehöriger ist ein Full-time-Job

EU-Umfrage in 6000 Familien / Vor allem Verhaltensprobleme sind eine große Belastung für Pflegende. Bis zu 45,6 Stunden verbringen Familienangehörige pro Woche im Schnitt mit der Pflege von alten Menschen, so das Ergebnis einer EU-weiten Befragung.    Quelle: Bericht der Ärztezeitung vom 2.12.2005

Anmerkung Pflege-shv: Wie diese Umfrage ergeben hat, werden europaweit 80 Prozent aller pflegebedürftigen, älteren Menschen von ihren Angehörigen betreut. In Deutschland ist dieser Anteil mit 70 Prozent geringer, sicherlich auch wegen des vergleichsweise größeren Angebotes an Pflegeheimplätzen.

Bemerkenswert an diesem Bericht ist die Aussage: "Fast alle betreuten Personen hatten in den sechs Monaten vor der Befragung einen Hilfsdienst in Anspruch genommen, trotzdem empfanden die pflegenden Angehörigen dies nicht unbedingt als Entlastung. Pflege- und Beratungsdienste werden von nicht einmal einem Drittel der Pflegenden in Anspruch genommen."

Tatsächlich werden auch wir verstärkt von pflegenden Angehörigen angefragt, die Hilfe suchen, die sie bei den örtlichen ambulanten Diensten nicht finden konnten.

"Was nutzt mir ein Pflegedienst der einmal oder zweimal pro Tag für eine halbe Stunde kommt und Tätigkeiten verrichtet, die ich auch alleine verrichten kann? Ich sehe nicht ein, dass ich dafür auf das Pflegegeld verzichte, wo ich diejenige bin, die tagein, tagaus für meine pflegebedürftige Mutter da sein muss. Mir würde es viel mehr helfen, und dafür wäre ich auch bereit das Pflegegeld abzugeben, wenn ich jede Woche einen Tag oder zwei Nachmittage mit Ruhe aus dem Haus könnte, weil ich wüsste, da ist jemand zuverlässiges, der sich um meine Mutter kümmert." , erklärte mir eine Frau vor wenigen Tagen am Telefon.

In einem anderen Fall, um den sich Mitglieder von Pflege-shv derzeit kümmern, liegt folgendes Problem vor: Eine 75 jährige Frau ist gleich mit zwei Pflegefällen in der Familie konfrontiert, neben ihrer Tochter, die sie seit vielen Jahren pflegt ist ihr an Parkinson erkrankter Ehemann zunehmend pflegebedürftig. Zwei Nachbarinnen helfen der Familie, so dass die Versorgung, nach Angabe der pflegebedürftigen Tochter, zufriedenstellend ist. Einen ambulanten Pflegedienst lehnt die Familie nicht zuletzt deshalb ab, weil sie auf das Pflegegeld angewiesen sei, damit sie den beiden Helferinnen etwas geben können. Die Rente des Vaters reiche gerade für das Allernötigste, aber nicht um auch noch fremde Hilfe zu zahlen. Nun hat, nach der letzten MDK Begutachtung, die Kasse zwar beiden Bedürftigen die Stufe II zuerkannt, jedoch zugleich mitgeteilt, dass kein Pflegegeld mehr bezahlt werde, weil professionelle Hilfe notwendig sei. Auch hier wurde in der weiteren Auseinandersetzung deutlich, dass dieser Familie nicht damit geholfen ist, wenn nun täglich jemand vom Pflegedienst für eine Stunde kommen würde. Denn Hilfebedarf besteht bei beiden den ganzen Tag über und auch Nachts. Sie wären also nach wie vor auf Nachbarschaftshilfe angewiesen und bekämen dann immer noch kein Geld von der Pflegekasse, weil dieses für den Pflegedienst (Sachleistung) verwand werden würde.

Als völlig unzureichend muss die Betreuung von Demenzkranken durch ambulante Dienste angesehen werden. Diese Menschen brauchen eine ganz andere Hilfe und Betreuung als die, die mit den Kassen abgerechnet werden kann. Überhaupt halten wir das nach Einführung der Pflegeversicherung entwickelte Modulsystem, bei dem die Pflegearbeit reduziert wurde auf einzelne körperbezogene Grundpflegemaßnahmen, für einen in jeder Beziehung falschen Ansatz. Wir plädieren dafür, dass dieses System schleunigst abgeschafft wird und ambulante Dienste ausgebaut werden, dahingehend, dass sie flexibel auf den Gesamthilfebedarf reagieren können und die Kassenleistungen nicht nach starren Vorgaben sondern Bedarfs- und Ergebnisgerecht erfolgen.