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» Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit den Menschen, welche dem Leben seinen Wert geben. «

W. v. Humboldt

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Problemfeld Zweibettzimmer

Doppelzimmer sind nicht per se abzulehnen!

Zweibettzimmer in einem Altenheim müssen nicht in jedem Falle problematisch sein. Dafür sprechen viele guten Beispiele von alten Frauen oder Männern, die, als ihnen ein frei werdendes Einzelzimmer angeboten wurde, aus ihrem Doppelzimmer nicht mehr ausziehen wollten. "Wir verstehen uns so gut, sind richtige Freundinnen geworden.", äußerte beispielsweise eine Bewohnerin während unserer Heimbegutachtung. Wenn zwei Menschen zusammen passen, hat das Leben in einem Zweibettzimmer auch seine schönen Seiten. Ich erinnere mich hier an meine Zeit in einem Mädcheninternat. Im Alter von 14-17 habe ich in einem 3 Bett-Zimmer gewohnt – anschließend bis zum 20 Lebensjahr (Krankenpflegeexamen) teilten wir uns zu zweit ein Zimmer. Eine insgesamt sehr prägende Zeit mit überwiegend positiven Erinnerungen. Allerdings konnten wir uns aussuchen, mit wem wir auf dem Zimmer wohnen wollten. Und wenn es nicht miteinander klappte, konnten wir tauschen.

Auch die heute alten Frauen und Männer, mussten in ihrer Kindheit und Jugend mit einem oder sogar mehreren Geschwistern ihr Schlafzimmer teilen. Als verheiratete teilten sie anschließend sogar das Bett. Vor diesem Hintergrund ist es erklärbar, dass sich Heimbewohner seltener über diesen Umstand beschweren als Angehörige. Die meisten zeigen sich erstaunlich anpassungsfähig, nicht selten wirkt die Anwesenheit eines anderen Menschen beruhigend, speziell auch bei Demenz.

Welche Probleme es geben kann, zeigt dieses Beispiel

Auch der folgende Bericht einer Angehörigen zeigt, dass das Leben im Zweibettzimmer der reinste Horror sein kann.

Unter aller Würde

Bericht aus einem ASB Heim in Baden Württemberg 2010/2011:

Da die Zustände mit der Zimmernachbarin meiner Mutter, Frau M…, immer mehr ausufern und meine Mutter sehr darunter leidet, stellte ich mit meinem Schreiben vom 27.09.2010 - auch auf Anregung von Mitarbeitern - den Antrag, in das Zimmer der Frau N  einziehen zu dürfen, wenigstens vorübergehend. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Zweibettzimmer. Am nächsten Tag teilte mir die HL bei einer zufälligen Begegnung mit, dass eine Belegung des Bettes im Zimmer der Frau N  durch meine Mutter nicht möglich sei. Es gäbe „Anfragen“. Zu diesem Zeitpunkt waren nach den mir vorliegenden Informationen im Wohnbereich 4 Betten frei: 2 Betten in einem Doppelbettzimmer, 1 Bett im Zimmer der Frau N sowie 1 Bett im Einzelzimmer der Anfang August verstorbenen Frau K..

Das Zimmer / Gründe für den Zimmerwechsel

Meine Mutter teilt das Zimmer mit Frau M., einer 96-jährigen Dame, die bei Einzug meiner Mutter bereits im Zimmer wohnte, und sich dort ziemlich ausgebreitet hatte. Bis heute steht meiner Mutter nicht einmal die anteilige Zimmerfläche zur Verfügung, geschweige denn, das Bad. Auf der Konsole im Bad steht von meiner Mutter lediglich 1 Flasche Waschlotion. Allerdings habe ich diese in den Schrank gestellt, weil sie ständig nicht nur für meine Mutter, sondern auch für Frau M. verwendet wird.

Seit ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus beansprucht Frau M. noch mehr Platz als zuvor. Im Bad abgestellt sind Rollstuhl, Rollator, Infusionsständer. Das Erreichen des Waschbeckens ist für uns kaum möglich. Im Zimmer befindet sich oft zusätzlich ein Infusionsständer. Mehrmals habe ich darum gebeten, die Gerätschaften woanders unter zu bringen - immer sagte man mir, es gebe sonst keine Abstellmöglichkeiten.

Solange sich meine Mutter in diesem Zimmer befindet, macht sie eine einzige Odyssee durch. Gegenwärtig zeigt sich die Situation wie folgt:

Seit ihrer Rückkehr von einem kurzen Krankenhausaufenthalt - am 26.10.2010 - liegt Frau M. im Bett. Sie ist auf den Bronchien stark mit Schleim belegt. Jedes Husten hört sich an, als brülle ein Löwe. Im Wechsel durchlebt sie Schlaf- und Wachphasen. Zunehmend schreit sie, insbesondere bei ihren vielen massiven, bis zum Erbrechen führenden Hustenanfällen, spuckt über das Bettgitter auf den Fußboden und lebt ihre hysterischen Anfälle aus. Nicht nur einmal blieb das Gespuckte auf dem Fußboden liegen, wurde durch das Personal also nicht weggeräumt. Allenfalls warf man einen Papierfetzen darüber, obwohl ich eindringlich darum bat (mitunter lag dieses „Material“ 2 Tage auf dem Fußboden), es wegzuräumen. Der Frau M. wird auch kaum beim Ausspucken oder Schleim abwischen geholfen, wenn sie darum bittet. Manchmal, wenn Frau M. einfach ins Bett gespuckt hatte, weil sie nicht wusste, wohin sie spucken soll, wurde ihr ein Handtuch unter das Kinn geschoben - oft aber so, dass es verrutschte und dann wieder nichts vorlag. Frau M. wird bei dieser Situation sehr unruhig, schmiert mit den Händen in dem Speichel herum, will ihn wahrscheinlich beseitigen. Gewaschen wird sie ohnehin seit längerem nicht. Das ist für uns so ekelig, wie nicht zu beschreiben. Die Auszubildende G… sagte mir mal, dass auch sie sich ekele.

Da die Familienangehörigen der  (sterbenden) Frau M. verständlicher Weise länger andauernde Besuche abstatten, kommt meine Mutter überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Weder kann sie am Tag schlafen noch abends einschlafen. Tür auf, Tür zu, ein Gewimmele von fremden Menschen, die sich aus Platzgründen im Nahbereich meiner Mutter niederlassen. Dabei machen sie es sich mit unseren, der Pflege dienenden Decken gemütlich. Nebenbei räumen sie auf und aus. Weil völlig handlungsunfähig, fühlt sich meine Mutter beengt, bedrängt, ihrer Ruhe beraubt. Wie ich von einigen Mitarbeitern hörte, liege meine Mutter regelmäßig bis ca. 23:30 Uhr wach.

Um meine Mutter zu schützen, um ihr die zustehende Ruhe zu sichern und sie vor allem nicht noch mehr zu verwirren, als es ohnehin schon der Fall ist, stellte ich bei der HL Ende Oktober noch einmal einen Antrag auf Zustimmung zu einem Zimmerwechsel. Dieses Mal waren im Wohnbereich meiner Mutter 5 Betten frei. Darüber hinaus waren im Erdgeschoss 3 Betten frei. Insgesamt standen im Haus 8 Betten leer. Nicht einmal vorübergehend kam uns die HL entgegen. Wiederum hieß es „bestehende Anfragen“. Nur tat sich wochenlang nichts. Wochen lang hielt der Leerstand an.

Zwischenzeitlich waren die Zustände so nervenaufreibend, wie ich es kaum beschreiben kann: Frau M. schrie, meine Mutter weinte ständig und aß nichts mehr usw. usw. Meine Mutter leidet unter der Situation sehr - und wie bereits erwähnt - weint sie viel, isst kaum noch und hat stark abgenommen. Ob sie will oder nicht, muss sie den körperlichen Verfall der Frau M. mit ansehen sowie die im Zimmer abgehaltenen Familien internen Sitzungen über sich ergehen lassen. Für sie ist das Seelenfolter pur! Selbst das Personal hatte mit einigen Situationen schon richtig zu kämpfen.

Wie ich von der Familie M. selbst hörte, befände sich ihre Mutter im Sterbeprozess. Abgesehen davon, dass es Anstand, Takt und Würde gebieten, unaufgefordert - sowohl meine Mutter als auch ihre Zimmernachbarin und deren Familie von „Störfaktoren“ frei zu stellen - dürfte es für die Heimleiterin ein Leichtes gewesen sein, zu reagieren. Möglichkeiten gab es jedenfalls genug!

Wie mir jetzt zugetragen wurde, hat auch der Sohn der Frau M. um einen Zimmerwechsel für seine Mutter gebeten. Auch seinem diesbezüglichen Anliegen wurde nicht entsprochen. Statt dessen soll die Familie auf den Raum der Stille verwiesen worden sein. Das war Anfang November 2010.

Weitere Beschwerdepunkte:
  • Der Mülleimer mit den von Frau ich M. bespuckten Papiertüchern läuft oft bald über und stinkt, ebenso ihr Wäschesack und das gesamte Bad. Der Abfalleimer ist unmittelbar im Eingangsbereich zum Bad deponiert, so dass der erste Blick beim Eintreten sofort auf dem Eimer landet. Außerdem stellt er einen Sturzgefahr für Eintretende dar.
  • Das Nachthemd meiner Mutter ist oft über dem vollen Abfalleimer aufgehängt, dabei streift es jedes Mal diesen Eimer.
  • Die mit der Zahnprothese gefüllte Aufbewahrungsdose steht auf der Spiegelkonsole oft in unserem Bereich, ist weder sauber noch abgedeckt.
  • Unterwäsche (Unterhemden, Nachthemden) von Frau M wurden mehrfach schon meiner Mutter angezogen und umgekehrt.
  • Mehrmals fand ich die Kissen meiner Mutter im Bett der Frau M. oder die Kissen der Frau M. sowie deren Wolldecke auf das Bett meiner Mutter vor.
  • Das Bett meiner Mutter befindet sich in Richtung Zimmertür. Dadurch ist sie häufig der Zugluft ausgesetzt. Einige Mitarbeiter schließen nie die Tür, wenn sie an meiner Mutter arbeiten. Überwiegend steht die Tür auf, jeder vorbei Gehende - ob Bewohner, Mitarbeiter oder Besucher – kann beim Wechseln der Einlagen oder sonstigem zuschauen. Ich habe auch schon erlebt das sie nach dem Baden ganz nackt bei offener Tür auf dem Bett lag, während die Pflegekraft irgendetwas suchte.

Meine Mutter ist in ihrer Lebensqualität beschnitten. Es besteht nicht eine einzige Voraussetzung, ihr Umfeld wohlig zu gestalten.

Zurück liegend habe ich bei der HL mehrmals mündlich und schriftlich für meine Mutter den Antrag auf ein Einzelbettzimmer gestellt. Obwohl mir die HL beim Einzug in das Haus - im August 2009 - das erste frei werdende Einzelbettzimmer zusichert hat und es seitdem viele Möglichkeiten zur Umsetzung ihres Versprechens gab, verblieb es für meine Mutter bei der alten Regelung. Mehrmals wurden frei gewordene Einzelzimmer an Bewohner vergeben, die weit nach uns kamen. Mehrmals gab es Leerstand. Mehrmals wurde nach uns gekommenen Bewohnern eingeräumt, so oft umzuziehen, bis sie am richtigen Fleck angekommen sind. Das gilt jedoch in diesem Heim scheinbar nur für die Selbstzahler. Zwar hat die Heimleiterin nie direkt gesagt, dass meine Mutter kein Recht auf Sonderwünsche oder gar ein Einzelzimmer hat, weil sie Sozialhilfeempfängerin ist, aber letztlich sehe ich keinen anderen Grund. Einzelbettzimmerzuschläge dürfen von Sozialhilfeempfängern gem. einem Urteil des VGH Mannheim nicht verlangt werden.


Anmerkung:

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der langen Beschwerdeliste, mit der sich die Angehörige im März 2011 an den Pflege-SHV gewandt hat. Ihre Suche nach einem besseren Heim in der Nähe ihres Wohnortes – schließlich will sie die Mutter so oft als möglich besuchen, gestaltet sich schwierig. Vor allem jedoch deshalb, weil das zuständige Sozialamt des Landkreises Wittenberg in Sachsen-Anhalt, der Tochter erklärt hat, nur die Kosten für das billigste Heim in der Region zu übernehmen. Schon jetzt zahlt das Sozialamt nicht den vollen Restbetrag, sondern nur den am billigsten Heim in der Region bemessenen Anteil, so dass derzeit rund 300 Euro im Monat nicht gedeckt sind.  Ein Wechsel in das von o.g. Sozialamt ausgewählten "Billig-Heim", dass sich die Tochter angeschaut hat, wäre mit Sicherheit keine Verbesserung.

Der Widerspruch zwischen äußerem Schein und Wirklichkeit könnte kaum größer sein:

Im Juli 2010 wurde das Seniorenzentrum .....von der BIVA und ISIS mit der Urkunde für "Lebensqualität im Altenheim" ausgezeichnet.

Der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) hat das Seniorenzentrum im Transparenzbericht vom 04.11.2010 mit der Note 1,0 bewertet. 1,0 durchgehend in allen Bereichen.

Was soll man da noch sagen?

Ich will dieser Sache nachgehen und habe bereits erste Schritte eingeleitet.